Schon oft haben wir uns gefragt, warum wir auf den Straßen der ärmsten Ländern der Welt so viele glückliche Gesichter sehen und bei uns doch der nach unten hängende Mundwinkel vorherrschend ist?

Wieso ist das so? Haben wir keine Gründe, glücklich zu sein? Und was macht eigentlich zufrieden und glücklich? Auf diese Frage mag es viele Antworten geben. Um zwei der wichtigsten Antworten soll es in diesem Artikel gehen.

Erstens: Es sind die schönen Erlebnisse im Leben und die Erinnerungen daran, die uns glücklich machen.

Ulf und ich sind in den unterschiedlichsten Ländern der Welt unterwegs. Dabei möchten wir bei jeder Reise in ein neues Land weit mehr sein, als ein „einfacher Tourist“, der sich das Land ansieht. Wir wollen in die Geschichten der Menschen, in ihre Gewohnheiten und Traditionen eintauchen. Wir wollen erfahren, wovon sie gerade träumen, wie sie leben und was sie glücklich macht.

Dabei begegnen uns oft die ärmsten Menschen als die glücklichsten. Ich war z.B. für ein Projekt knapp ein halbes Jahr in Borneo. Dabei habe ich in einem ca. 200 Seelen-Dorf bei zwei unterschiedlichen Familien gewohnt. Warum ich die erste Familie wechseln musste, erfährst Du übrigens, wenn Du ganz zu Ende liest.

Diese Menschen hatten nichts außer der gemeinsamen Vision, den Regenwald und seine Bewohner vor einer Palmöl-Plantage zu schützen. Dieses Vorhaben verbindet sie. Alle beteiligen sich an dieser Mission und leisten ihren Beitrag, so gut sie konnten.

Sowie Junaidah, eine verwitwete Dame mit 76 Jahren. Sie lebte in einer kleinen Hütte, in der provisorisch ein kleiner Matratzenraum für mich abgehängt wurde. Die ganze Hütte war nicht größer als unser Badezimmer in Österreich, hatte aber alles, was Junaidah und ich brauchten. Eine Kochnische, ein Sofa für unsere abendlichen „Gespräche“, eine Matratze für sie und eine Tür zum Badezimmer ins Freie, das genau genommen nur eine Regentonne und ein Schlauch war.

Es war eine große Ehre für mich, drei Monate bei ihr zu leben. Ich habe so viele wertvolle und liebevolle Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit. Sie sprach kein Wort englisch und ich kaum ein Wort malaiisch. Aber wir kamen zurecht. Das Lächeln verband uns.

Jeden Abend setzen wir uns auf ihr Sofa. Sie zeigte mir das Foto ihres vor wenigen Wochen verstorbenen Mannes und streichelte es – jeden Abend. Dabei spürte ich ihre innige und dankbare Verbundenheit zu ihrem Mann. All ihre Erinnerungen kamen wieder, wenn sie sein Bild ansah.

Bestimmt war sie traurig, dass er nicht mehr da war. Aber dieses unfassbare Strahlen in ihren Augen, wenn sie sein Foto ansah, wird für mich unvergessen bleiben. Sie erinnerte sich an all die schönen Dinge, die sie mit ihm erleben durfte und sie war glücklich. Jeden Tag.

Zweitens: Geben ist seliger als nehmen.

Ich war eine der insgesamt vier internationalen Studenten, die den Einheimischen in Borneo bei ihren Öko-Projekten ein wenig zur Seite stehen durften. Die alte Dame namens Junaidah wollte auch ihren Beitrag zur Rettung des Regenwalds leisten. Sie konnte bei keinem der körperlich anstrengenden (Bau-)Projekte mithelfen und hatte kein Geld, um sonst etwas beizusteuern. Aber sie hatte eine Hütte und ein wenig Platz, um mich bei ihr aufzunehmen und mir ein Dach über dem Kopf zu schenken. Bei den täglichen Regenergüssen war ich ihr sehr dankbar dafür.

Ich half ihr mit der Wäsche, dem Sammeln der Beeren und Farne aus den Wäldern und beim Sauber machen der kleinen Hütte. Sie hatte nichts, aber sie wollte, dass es mir gut geht. Sie kochte jeden Tag für mich. Das hat sie sich nicht nehmen lassen. Oft zauberte sie aus dem „nichts“ ein gutes Abendessen. Es hat sie glücklich gemacht, dass es mir gut geht, dass mir das Essen schmeckte und dass ich die gemeinsamen Abende mit ihr sehr genossen habe. Auch wenn ich mal spät nachhause gekommen bin, hat sie auch mich gewartet. Sie ging nie zu Bett ohne sich zu vergewissern, dass ich heil aus dem Wald wieder gekommen bin. Sie reichte mir ein Glas Wasser und zeigte mir das Bild ihres Mannes. Jeden Abend.

Dabei wusste sie, dass mir das chlorhaltige Wasser nicht besonders schmeckte, aber bei der hohen Luftfeuchtigkeit im Regenwald musste ich viel trinken, um meinen Kreislauf in Schuss zu halten.

Als ob ihre Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft nicht ausreichen würde, kam ich eines gewöhnlichen Abends nachhause und sah eine Dose Cola und eine Packung Kekse am Tisch. Sie hat nichts davon angerührt. Es war alles für mich gedacht.

Nach Wochen im Urwald mit gechlortem Wasser stand eine gekühlte, prickelnde Cola Dose vor mir. Ganz ehrlich, ich weiß nicht, wann ich in meinem Leben gerührter war, als in diesem Augenblick. Ich hatte keine Ahnung, wo sie das Geld dafür aufgetrieben hat, aber sie wollte mir eine Freude machen. Dabei weiß ich nicht, wer in diesem Moment gerade glücklicher war. Sie oder ich.

Es war ein ganz besonderer Abend für mich. Ein sehr wertvoller. Denn als ob Junaidah es geahnt hätte, war es ihr letzter Abend. Es war ihre letzte Gelegenheit, jemanden eine Freude zu machen. Und dieser jemand war ich. In der folgenden Nacht ist sie gestorben. Ich habe sie am Morgen tot auf ihrer Matratze gefunden. Mit einem Lächeln im Gesicht und mit dem Bild von ihrem Mann in der rechten Hand. Unvergessen.

Hast Du heute auch schon jemanden glücklich gemacht?
Oft reicht eine Kleinigkeit aus und erfüllt auch Dein Herz.

Lass es auch an Deinem Bilderhimmel funkeln.
Alles Liebe, Ulf & Berny

Kommentare

  1. Stefan Gangl

    Liebe Berny! Eine absolut tolle und sehr sehr bewegende Erzählung. Und erlich: ich brauche jetzt Zeit, um das zu „verarbeiten“. Vielen DANK für dein Erlebnis und diese Mitteilung und Offenheit. Man denkt, sieht, handelt, agiert, spricht leider sehr oft „kurzfristig + unüberlegt“. DANKE Euch Beiden für euren supatollen Bilderhimmel mit all seinen Artikeln, Beiträgen & Fotos!! 😉
    GLG Stefan + 4Gangls

    • Bilderhimmel

      Schön, dass Ihr da seid und danke für Eure lieben Worte.
      Über die gebastelte Karte und die schönen Tulpen haben wir uns gestern ganz besonders gefreut!!!

  2. Birgit

    Eine unglaublich rührende Geschichte. Faszinierend, wie liebevoll und dankbar Sie so extreme Situationen so schön beschreiben können. Das tröstet und lässt vertrauen. Danke dafür.

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