Nach wochenlangen, bunten und lauten indischen Abenteuern haben wir uns auf die Einsamkeit in der Wüste Thar gefreut. Aber wie so oft kommt es eben anders, als man denkt. Am Rand der Wüste angekommen, leuchten uns über 20 Touristencamp entgegen. Allesamt waren sie überfüllt von Touristen, wie auch wir es waren. Musik tönt aus den Boxen und es riecht nach Curry und gegrilltem Lamm. Die Autos wirbeln den Sand der Straße auf und hüllen die Touristen-Dörfer in eine feine Staubwolke.

So viele Menschen sind an diesen lauten Ort gereist. Aber eigentlich sehnen sie sich nach der Stille der Wüste.

Uns war schnell klar, wir brauchen Unterstützung, wenn wir diesem Wahnsinn entkommen wollen. Wir müssen uns weit von den Menschenmassen entfernen, wenn wir die Einsamkeit unter dem klaren, indischen Sternenhimmel erleben wollen.

Wenn Du schnell gehen willst, geh allein.
Wenn Du weit gehen willst, geh mit anderen.

Zufällig trafen wir einen Kameltreiber mit zwei Kamelen, der bereit war, uns in die Tiefen der Wüste zu bringen. Er war ortskundig und hatte trainierte Kamele. Mit ihm an seiner Seite fühlten wir uns sicher genug, dieses Abenteuer zu bestreiten. Alleine hätten wir uns mit Sicherheit in den riesigen Sanddünen verirrt. Wir wären verdurstet und erfroren.

Wenn man mit einer schweren Krankheit konfrontiert ist, dann ist das genauso. Alleine ist man völlig hilflos. Man verirrt sich in dem Dschungel an Therapieplänen, Medikamenten-Einnahme-Schemata und alternativen Behandlungsmöglichkeiten.

Dazu kommen all diese Unsicherheiten. Unsicherheiten, die die eigenen Zukunft betreffen. Und man kann sich nicht so wie früher auf den eigenen Körper verlassen. Chemotherapien, Nebenwirkungen der Medikamente und die Krankheit selbst zehren an den Kräften und am Selbstwertgefühl. Wie soll man sich geschwächt bloß alleine zurechtfinden?

Das ist nahezu unmöglich. Ein kleines, stabiles Netzwerk von Freunden und Familie ist unverzichtbar, um solch große „Steine“ aus dem eigenen Lebensweg zu räumen.

So wie wir uns damals in der Wüste Thar von den Kamelen tragen ließen, tragen wir heute Ulf durch die schweren Zeiten. Dabei ist es für uns ein großes Geschenk, dass er sich überhaupt von uns tragen lässt. Es ist nicht selbstverständlich, das eigene Leben in die Hände anderer zu legen. Es ist ein unglaubliches Geschenk, das wir mit größter Sorgfalt, gewissenhaft, mutig und dankbar annehmen.

Es ist ein Zeichen von großer Stärke, sich auch mal helfen zu lassen.

Es gibt so viele gute und manchmal natürlich auch weniger gute Tage. Und gerade an solchen Tagen, ist man froh über den engen Kreis an Menschen, die einen umgeben. Die wenigen, die wissen, dass sie eigentlich nichts sagen müssen, sondern einfach nur da sein und für Ruhe sorgen sollen. Man ist froh über all jene, die uns in Gedanken begleiten und positive Wünsche schicken. Und man ist dankbar über all die guten Freunde die an schlechten Tagen da sind, aber die es auch kaum erwarten können, an besseren Tagen wieder gemeinsam Tennis spielen zu können.

Eine Krebsdiagnose trifft nicht nur die eine Person. Sie trifft alle, die diesen Menschen lieben. Und wir alle müssen lernen, mit der Situation umzugehen. Mit der Krankheit, aber auch mit dem Erkrankten und all seinen Sorgen, Ängsten und Wünschen.

Wir lernen jeden Tag, Ulf bestmöglich zu tragen und wir sind jeden Tag unendlich dankbar, dass er uns Raum gibt, sich tragen zu lassen. Und dass er uns nachsichtig und milde verzeiht, wenn wir nicht immer alles sofort richtig machen.

In Indien waren wir dankbar über die Kamele, die uns zu den bezaubernden und einsamen Plätzen in der Wüste gebracht haben. An Plätzen, an denen wir unter dem dichten Sternenhimmel liegend unseren Gedanken freien Raum lassen konnten. Wo Träume unbegrenzt waren und Visionen plötzlich Gestalt annahmen. An Orten, an denen alles möglich schien.

Wir werden alles tun und uns auch gegenseitig stützen, damit wir als kleines Team stark genug sind, Ulf so lange zu tragen, bis sein kleines Wunder eben möglich ist.

Kommentare

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  2. Christine Graf

    Ja, es braucht in eurer sehr herausfordernden Situation viel Sensibilität, zu spüren, wann was dran ist. Wann man einfach da ist, wann man geht, wann man etwas sagt oder wann auch Schweigen das Richtige ist… Aber ich empfinde, dass ihr auf einem guten Weg seid und bete, dass Ulf immer wieder das bekommt, was ihm gerade gut tut. Dass er wieder Kraft hat und zuversichtlich sein kann, wenn er mal wieder fällt und sich kraftlos fühlt. Und aber auch, die kleinen Erfolge und Freuden zu zelebrieren! Ja, es ist nicht immer einfach, derjenige sein zu müssen, der das „Getragen werden“ braucht. Aber ich glaube, ihr macht das schon ganz gut! Wünsche euch für jeden einzelnen Tag immer genau so viel, wie ihr an dem Tag braucht. Schritt für Schritt auf das Ziel zu, gesund zu werden und zu bleiben… Alles Liebe, ihr beiden. Ich mag Euch! 🙂

    • Bilderhimmel

      Liebe Christine!
      Schöne Worte. Danke dafür. Und ja, genau; es ist nicht immer einfach der “Getragene” sein zu müssen. Und Ulf lehrt mich jeden Tag so viele Dinge. Auch wie unglaublich stark er diesbezüglich ist, sich helfen zu lassen.

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